Vorsicht bei fremdhändigen Testamenten

Die Judikatur zur Formgültigkeit (insbesondere mehrblättriger) fremdhändiger, also nicht vom Testierenden selbst handschriftlich geschriebener, Testamente wird immer umfangreicher. Dabei wird klar: Der OGH verfolgt seit dem Erbrechtsänderungs-Gesetz 2015 eine strenge Linie.

Die jüngste Reform des Erbrechts brachte strengere Vorschriften für fremdhändige Testamente mit sich. Ziel des Gesetzgebers war es, die Fälschungssicherheit zu erhöhen. Die Reform führte allerdings vielfach zu Unsicherheiten. Zahlreiche Testamente erklärte der OGH für formungültig. Erst nach und nach festigt sich die Rechtsprechung.

Zur Erinnerung: Urkundeneinheit  

Die Rechtsprechung verlangt für die Formgültigkeit einer fremdhändigen letztwilligen Verfügung, die aus mehreren Blättern besteht, entweder die innere oder äußere Urkundeneinheit.

Die äußere Urkundeneinheit liegt vor, wenn die Blätter vor der Unterschriftsleistung des Testierenden und der Zeugen oder während des Testiervorgangs (uno actu – also in unmittelbarem Anschluss) so fest miteinander verbunden werden, dass die Verbindung nur mit Zerstörung oder Beschädigung gelöst werden kann (insbesondere durch Binden, Kleben oder Nähen).

Für die innere Urkundeneinheit kann neben der Fortsetzung des Textes (nur bei handschriftlich fremdhändigen Testamenten, nicht bei maschingeschriebenen) auch ein – vom Testierenden unterfertigter – Vermerk auf dem zusätzlichen Blatt mit Bezugnahme auf seine letztwillige Anordnung ausreichen. Diese muss aber inhaltlicher Natur sein. Es muss erkennbar sein, auf welche inhaltliche Anordnung sich der Vermerk bezieht. Wie dieser Bezug ausreichend hergestellt werden kann, hat der Oberste Gerichtshof leider offengelassen.

Äußere Urkundeneinheit: bisherige Rechtsprechung

Die äußere Urkundeneinheit stellt auf eine möglichst feste körperliche Verbindung der Blätter einer mehrblättrigen fremdhändigen Verfügung ab. Dabei kommt es aber auch auf den Zeitpunkt an, an dem die Blätter zusammengefügt werden. Keine äußere Urkundeneinheit liegt in folgenden Fällen vor:

  • wenn mehrere Blätter nur mit einer Büroklammer verbunden sind (2 Ob 192/17z) oder lose in einem Kuvert verwahrt werden (2 Ob 143/19x)
  • wenn mehrere Blätter mit lediglich einer Heftklammer verbunden sind (2 Ob 51/20v, 2 Ob 77/20t). Drei seitlich angebrachte Heftklammern lies der OGH allerdings gelten (2 Ob 25/22y)
  • wenn das Testament auf losen Blättern bei einer auswärtigen Amtshandlung eines Notars errichtet und erst später im Notariat gebunden wird (2 Ob 218/19a). Es genügt aber, wenn die Verbindung im unmittelbaren Anschluss an die Unterfertigung hergestellt wird (2 Ob 141/20d).

Innere Urkundeneinheit: bisherige Rechtsprechung

Der OGH äußerte sich schon mehrmals zur inneren Urkundeneinheit, die er aber immer vereinte. Sie liegt bei zwei losen Blättern nicht vor, wenn

  • sich auf dem zweiten Blatt nur die Unterschriften der Testamentszeugen befinden (2 Ob 192/17z, noch zur alten Rechtslage).
  • sich auf dem zweiten Blatt Ort und Datum, die handschriftliche Nuncupatio (die eigenhändige Bekräftigung, dass dies der letzte Willen ist) sowie die Unterschriften des Testierenden und der Zeugen befinden. Auch eine Durchnummerierung reichte nicht aus (2 Ob 143/19x).
  • sich auf dem zweiten Blatt die Unterschriften des Testierenden und der Testamentszeugen (samt Bestätigung, dass der Testierende in deren Anwesenheit die Nuncupatio geschrieben und das Testament unterfertigt habe) befindet. Es mangelte hier am inhaltlichen Bezug auf den Text der Verfügung (2 Ob 145/19s).
  • das zweite Blatt nur die Unterschrift des dritten Testamentszeugen enthält (2 Ob 218/19a)
  • auf dem zweiten Blatt steht: „Mit dieser letztwilligen Verfügung widerrufen wir, […] und […], allfällige vor diesem Testament errichtete letztwillige Verfügungen“, samt Unterschriften. Der Satz nehme nämlich keinen inhaltlichen Bezug zur Verfügung (2 Ob 77/20t).
  • bei einem nicht handschriftlich geschriebenen (computergeschriebenen) Testament auf dem zweiten Blatt lediglich der Text fortgesetzt wird, ohne dass auf dem zweiten Blatt ein vom Testierenden unterfertigter Vermerk mit Bezug auf den Inhalt seiner letztwilligen Anordnung vorliegt. Konkret setzte sich ein Satz, der auf Blatt 1 begonnen wurde, auf Blatt zwei fort. Bei handgeschriebenen fremdhändigen Verfügungen kann die Textfortsetzung allerdings ausreichend sein, weil die Handschrift von einem Sachverständigen überprüft werden kann (2 Ob 29/22m)

Sonstige Fälle

  • Ein Testament/Erbvertrag in Notariatsaktsform braucht keine handschriftliche Nuncupatio durch den Testierenden (2 Ob 63/22m)
  • Kann der Testierende nicht lesen, muss ein Zeuge die fremdhändige letztwillige Verfügung im Beisein zweier weiterer Zeugen, „die den Inhalt eingesehen haben“ (§ 580 Abs 2 ABGB bzw. § 581 ABGB aF), vorlesen. Ein solches Testament ist ungültig, wenn die beiden Zeugen den Inhalt nicht zumindest überblicksartig kontrolliert haben. Die bloße Möglichkeit zur Einsichtnahme genügt nicht (2 Ob 48/22f).
  • Zur Identifizierbarkeit der Testamentszeugen entschied der OGH: Sind zB der Notar und zwei Angestellte die Testamentszeugen, muss nicht deren Privatadresse auf der Urkunde erscheinen. Die Identität muss nur eindeutig aus der Urkunde hervorgehen, was bei Vor- und Nachnamen samt Berufsadresse der Fall ist (2 Ob 86/21t).

Fazit

Bei der Errichtung eines fremdhändigen Testaments kann viel schief gehen. Die Rechtsprechung ist bereits umfangreich und selbst kleine Fehler oder Unachtsamkeiten können für die Erben ein böses Erwachen bedeuten. Daher empfehlen wir Ihnen dringend, immer einen Experten beizuziehen.