OGH: Pflichten von Minderheitsgesellschaftern bei drohender Insolvenz

Der Oberste Gerichtshof (OGH) beschäftigte sich mit der Frage, unter welchen Umständen ein Minderheitsgesellschafter einer GmbH den Zeitpunkt des Eintritts deren Zahlungsunfähigkeit iSd § 31 Abs 1 Z 2 Insolvenzordnung (IO) leicht fahrlässig nicht erkannt hat. Denn nach der IO sind jene Rechtsgeschäfte anfechtbar, die nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit getätigt wurden, sofern dieser Umstand dem anderen Teil zumindest bekannt hätte sein müssen.

Im Ausgangsfall erhielt die Beklagte als Angestellte einer GmbH einen kleinen Gesellschaftsanteil als Bonus und wurde so zur Minderheitsgesellschafterin. Nachdem sie wegen finanzieller Schwierigkeiten gekündigt wurde, vereinbarte sie mit dem Geschäftsführer Abfertigungszahlungen, die allerdings nur teilweise eingehalten wurden. Wenig später wurde das Insolvenzverfahren eröffnet. Die getätigten Abfertigungszahlungen wurden sodann von der Insolvenzverwalterin angefochten, weil sie zu einem Zeitpunkt ausbezahlt worden seien, zu dem die Beklagte von der Zahlungsunfähigkeit hätte wissen müssen; die Beklagte wusste aber bis zur Insolvenzeröffnung nichts davon.

Der OGH hielt zunächst fest, dass der in § 31 Abs 1 Z 2 IO normierte Tatbestand des Kennenmüssens der Zahlungsunfähigkeit dann erfüllt ist, wenn die Unkenntnis auf einer Außerachtlassung der gehörigen Sorgfalt beruht: Die Anzeichen einer wirtschaftlichen Krise müssen bspw Anlass sein, mit zumutbaren Mitteln Erkundigungen einzuziehen. Als Gesellschafterin hatte die Beklagte gegenüber der GmbH einen grundsätzlich unbeschränkten Informationsanspruch: Sie hatte somit die Möglichkeit, Einsicht in die Geschäftsunterlagen zu nehmen. Spätestens aufgrund der unregelmäßigen Abfertigungszahlungen musste sie erhebliche Zweifel an der Zahlungsfähigkeit der GmbH haben. Ihr fehlendes Interesse an einer Informationseinholung stufte der OGH daher als fahrlässig ein, weswegen die getätigten Abfertigungszahlungen mit Erfolg angefochten werden konnten.

OGH 3 Ob 117/18d