COVID-19 und Fristen

Am Freitag, 20. März 2020, hat der Nationalrat zur Bewältigung der COVID-19 (Coronavirus) Krise das 2. COVID-19-Gesetz beschlossen, am Samstag, 21. März 2020 wurde das Gesetz auch vom Bundesrat beschlossen und am selben Tag kundgemacht. Die damit verbundenen Maßnahmen traten größtenteils am Sonntag, 22. März 2020 in Kraft.

Ergänzend dazu wurden das 3., 4. sowie 5. COVID-19-Gesetz am 03. April 2020 im Nationalrat sowie am 04. April 2020 im Bundesrat beschlossen. Die Kundmachungen erfolgten ebenfalls am 04. April 2020. Die bis zum jetzigen Zeitpunkt in Kraft getretenen COVID-19-Gesetze haben auch weitreichende Auswirkungen auf gerichtliche, behördliche und arbeitsvertragliche Fristen.

Vertraglich vereinbarte Fristen sind bisher kaum betroffen, sondern v.a. gesetzliche, behördliche und richterliche Fristen. Auch sind neue Bestimmungen zur Zustellung von behördlichen Schriftstücken vorgesehen.

Was gilt für gerichtliche Fristen der ordentlichen Gerichte?

Es kommt zu einer Unterbrechung von Fristen in gerichtlichen Verfahren vor den ordentlichen Gerichten (Bezirksgerichte, Landesgerichte, Oberster Gerichtshof).

Alle verfahrensrechtlichen Fristen, deren fristauslösendes Ereignis in die Zeit nach Inkrafttreten des 2. COVID-19-Gesetzes fällt, sowie verfahrensrechtliche Fristen, die bis zum Inkrafttreten noch nicht abgelaufen sind, werden bis zum Ablauf des 30. April 2020 unterbrochen. Sie beginnen mit 01. Mai 2020 neu zu laufen.

Mit Einführung des 4. COVID-19 Gesetzes wurde nunmehr zusätzlich klargestellt, dass bei der Berechnung einer Frist, die nach Tagen bestimmt ist, der 1. Mai 2020 als Tag gilt, in den der Zeitpunkt oder das Ereignis fällt, wonach sich der Anfang der Frist richten soll. Bei der Berechnung einer Frist nach Wochen, Monaten oder Jahren gilt der 1. Mai 2020 als Tag, an dem die Frist begonnen hat.

Nicht von der Fristenunterbrechung erfasst sind Verfahren nach bestimmten Gesetzen, die einen Freiheitsentzug bewirken. Ebenfalls nicht erfasst sind Leistungsfristen (z.B. in Urteilen oder Beschlüssen).

In bürgerlichen Rechtssachen werden damit in Zivilprozessen, Außerstreitverfahren, Grundbuchs- und Firmenbuchverfahren und Exekutionsverfahren alle prozessualen Fristen (sowohl gesetzliche als auch richterliche Fristen) unterbrochen. Das Gericht kann jedoch unter bestimmten Voraussetzungen anordnen, dass keine Fristenunterbrechung stattfindet und muss in diesem Fall eine neue angemessene Frist setzen.

Mit Erlass des 4. COVID-19-Gesetzes wurde nunmehr auch beschlossen, dass Fristen des Insolvenzverfahrens nicht mehr von dieser allgemeinen Fristenunterbrechung umfasst sind. Durch diese Bestimmung bereits unterbrochene Fristen im Insolvenzverfahren beginnen mit 05.04.2020 neu zu laufen.

Überdies wird dem Gericht die Ermächtigung eingeräumt, gesetzliche Fristen von Amts wegen oder auf Antrag eines Beteiligten oder des Insolvenzverwalters mit Beschluss angemessen, höchstens um 90 Tage, zu verlängern.

Was gilt für gesetzliche Fristen, in denen ein Verfahren bei den ordentlichen Gerichten anhängig gemacht werden muss?

Die Zeit vom Inkrafttreten bis zum Ablauf des 30. April 2020 wird in die Zeit, in der bei einem Gericht eine Klage oder ein Antrag zu erheben oder eine Erklärung abzugeben ist, nicht eingerechnet.

Das bedeutet, dass die gesetzlichen Fristen für das Anhängigmachen eines Verfahrens vor Gericht oder z.B. der Schlichtungsstelle nach dem Mietrechtsgesetz (z.B. Verjährungsfristen, Frist für die Besitzstörungsklage, Verfahren nach dem Mietrechtsgesetz, Kündigungsanfechtungsfristen etc.) gehemmt sind. Dies gilt auch für verschiedene Erklärungen, die dem Gericht gegenüber abzugeben sind.

Das gilt jedoch nicht für vertraglich vereinbarte Fristen.

Gibt es Bestimmungen zu arbeitsvertraglichen Fristen?

Ja, im Geltungsbereich des Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetzes ist vorgesehen, dass der Fortlauf von laufenden gesetzlichen, kollektivvertraglichen und vertraglichen Verjährungs- und Verfallfristen betreffend Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis, die am 16. März 2020 laufen oder nach diesem Tag zu laufen beginnen, bis 30. April 2020 gehemmt wird.

Was gilt für vertraglich vereinbarte Fristen?

Die bis dato erlassenen COVID-19-Gesetze enthalten dazu keine Bestimmungen, sodass offenbar nur gesetzliche Fristen, nicht aber vertraglich vereinbarte Fristen umfasst sind. Das bedeutet, dass mangels gegenteiliger Regelungen vertraglich vereinbarte Fristen (z.B. zur Gewährleistung, zur Kündigung, zur Irrtumsanfechtung o.Ä.) nicht unterbrochen werden und weiter unverändert gelten. Auch für z.B. vertraglich vereinbarte Verjährungsfristen ändert sich durch die COVID-19-Gesetze nichts.

Davon ausgenommen sind vertraglich vereinbarte Fristen nach dem Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz (vgl. oberhalb Punkt 3) und die unterhalb aufgezählten Sonderbestimmungen im Mietrecht, Kreditvertragsrecht und Bestimmungen zur Beschränkung von Verzugszinsen sowie Ausschluss von Inkassokosten und Konventionalstrafen.

Sonderbestimmungen gibt es im Bereich des Mietrechts bei Wohnungsmietverträgen. Eine Kündigung des Mietvertrags wegen eines Mietzinsrückstands aus den Monaten April, Mai und Juni 2020 in Folge der Pandemie ist vorläufig nicht möglich. Vermieter können den Zahlungsrückstand bis 31. Dezember 2020 nicht gerichtlich einfordern oder aus einer vom Mieter übergebenen Kaution abdecken. Der Zahlungsrückstand muss bis spätestens Mitte des Jahres 2022 entrichtet werden. Dann hat der Vermieter das Recht, eine Kündigung des Mietvertrags oder eine Klage auf Vertragsaufhebung auf diesen Rückstand zu stützen. Auch für die Verlängerung von befristeten Wohnungsmietverträgen wurden Sonderbestimmungen erlassen.

Bezüglich der Abwicklung von vertraglichen Schuldverhältnissen bestimmt das 4. COVID-Gesetz weiters für vor dem 1. April 2020 abgeschlossene Vertragsverhältnisse die Einschränkung von Verzugsfolgen bzw. des Verzugszinssatzes aus pandemiebedingten Gründen bis Ende Juni 2022. Weiters muss unter gewissen pandemiebedingten Umständen keine Konventionalstrafe mehr geleistet werden. Auch diese Regelung tritt (vorerst) bis Juni 2022 in Kraft.

Gibt es Bestimmungen zu verwaltungsbehördlichen Verfahren?

Ja, in anhängigen behördlichen Verfahren der Verwaltungsbehörden, auf die die Verwaltungsverfahrensgesetze anzuwenden sind, werden alle Fristen, deren fristauslösendes Ereignis in die Zeit nach Inkrafttreten fällt, sowie Fristen, die bis zum Inkrafttreten noch nicht abgelaufen sind, bis zum Ablauf des 30. April 2020 unterbrochen. Sie beginnen ebenfalls mit 1. Mai 2020 neu zu laufen. Auch hier kann die Behörde unter bestimmten Voraussetzungen Gegenteiliges anordnen und muss in diesem Fall auch eine angemessene neue Frist setzen.

Dies gilt auch für Verfahren der Verwaltungsgerichte, wenn auf das jeweilige Verfahren zumindest auch das Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz anzuwenden ist. Auch das Verfahren des Verwaltungsgerichtshofes und des Verfassungsgerichtshofes ist davon betroffen.

Durch das 4. COVID-19-Gesetz wird die ursprünglich eingeführte Unterbrechung von Verfahrensfristen in Verwaltungsverfahren korrigiert und die Verjährungsfristenunterbrechung gestrichen. Diese Bestimmung tritt bereits rückwirkend mit 22.März 2020 in Kraft. Ergänzt wird, dass bei der Fristenberechnung nach § 32 Abs 2 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz der 01.Mai 2020 als Tag gilt, an dem die Frist begonnen hat. Weiters werden bestimmte Fristen wieder aus der Fristenunterbrechung ausgenommen.

Zudem sind Hemmungen bestimmter Fristen vorgesehen. So wird die Zeit vom 22. März 2020 bis zum Ablauf des 30. April 2020 nicht eingerechnet in die Zeit, in der ein verfahrenseinleitender Antrag (§ 13 Abs. 8 AVG) zu stellen ist, in Entscheidungsfristen mit Ausnahme von verfassungsgesetzlich festgelegten Höchstfristen und in Verjährungsfristen

Ebenfalls vorgesehen sind neue Bestimmungen zu den Fristen für die Zahlung eines Strafbetrages.

Für öffentliche Auftragsvergaben wurden ebenfalls Sonderbestimmungen vorgesehen.

Gibt es Bestimmungen zu Fristen nach Bundesabgabenordnung?

Ja, in anhängigen behördlichen Verfahren der Abgabenbehörden werden alle im ordentlichen Rechtsmittelverfahren vorgesehenen Fristen, deren fristauslösendes Ereignis in die Zeit nach dem 16. März 2020 fällt, sowie Fristen, die bis zum 16. März 2020 noch nicht abgelaufen sind, bis zum Ablauf des 30. April 2020 unterbrochen. Auch hier kann die Abgabenbehörde unter bestimmten Voraussetzungen Gegenteiliges anordnen und muss ebenfalls eine neue angemessene Frist setzen.

Was ändert sich in der Insolvenzordnung?

Liegen die Voraussetzungen für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens vor, muss der Schuldner spätestens 60 Tage nach dem Eintritt der Zahlungsunfähigkeit einen Insolvenzeröffnungsantrag stellen. Nunmehr wird klargestellt, dass es sich bei einer Epidemie als auch bei einer Pandemie um eine Naturkatastrophe handelt und in diesem Fall die Frist 120 Tage für die Antragstellung beträgt. Dies gilt aber nur dann, wenn die Zahlungsunfähigkeit Folge der Epidemie oder Pandemie ist. Ein Verzug mit der Erfüllung des Sanierungsplans wird bis (vorerst) Ende April 2020 dadurch ausgeschlossen, dass in diesem Zeitraum eine Mahnung nicht wirksam erfolgen kann.

Das 4. COVID-19 Gesetz brachte einige weitere Neuerungen im Bereich des Insolvenzrechtes. Es wurde die Insolvenzantragspflicht des Schuldners bei einer im Zeitraum von 1. März 2020 bis 31. Jänner 2021 eingetretenen Überschuldung ausgesetzt, eine an die Überschuldung anknüpfende Haftung gemäß § 84 Abs. 3 Z 6 Aktiengesetz entfällt.  Überdies wurden weitere Regelungen in Bezug auf die Aussetzung von besonderen Zustellungen an Gläubiger, den Anfechtungsausschluss für unbesicherte Überbrückungskredite sowie die Möglichkeit zur Stundung der Zahlungsplanraten für maximal neun Monate, geschaffen.

Was gilt für Finanzstrafverfahren?

Mit dem 3. COVID-19 Gesetz wurden die finanzstrafrechtlichen Fristen erneut überarbeitet.

  • 265a Abs 1 Finanzstrafgesetz (FinStrG), welcher mit 05.04.2020 in Kraft getreten ist, sieht nunmehr vor, dass der Lauf folgender Fristen unterbrochen wird:
  • die Einspruchsfrist (§ 145 Abs 1 FinStrG),
  • die Rechtsmittelfrist (§ 150 Abs 2 FinStrG),
  • die Frist zur Anmeldung einer Beschwerde (§ 150 Abs 4 FinStrG),
  • die Frist zur Einbringung eines Antrages auf Wiederaufnahme des Verfahrens (§ 165 Abs 4 FinStrG),
  • die Frist zur Stellung eines Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 167 Abs 2 FinStrG) sowie
  • die Frist auf Erhebung von Einwendungen zur Niederschrift (§ 56b Abs 3 FinStrG).

Eine Unterbrechung des Fristenlaufes ist vorgesehen, wenn die Frist mit Ablauf des 16. März 2020 noch nicht abgelaufen war oder der Beginn des Fristenlaufes in die Zeit von 16. März 2020 bis zum Ablauf des 30. April 2020 fällt. Oben genannte Fristen beginnen mit 01. Mai 2020 neu zu laufen.

Der Bundesminister für Finanzen bleibt weiterhin ermächtigt, durch Verordnung bis längstens 31. Dezember 2020 die bereits angeordnete allgemeine Unterbrechung von Fristen zu verlängern oder weitere allgemeine Ausnahmen von der Unterbrechung vorzusehen, soweit dies zur Verhütung und Bekämpfung der Verbreitung von COVID-19 erforderlich ist.

Bisher hat er von dieser Ermächtigung aber noch nicht Gebrauch gemacht.

Was gilt für den gewerblichen Rechtsschutz?

Im Bereich des gewerblichen Rechtsschutzes werden Fristen in der Zeit vom 16. März 2020 bis zum Ablauf des 30. April 2020 gehemmt.

Was ändert sich durch COVID-19 bei den Zustellvorschriften?

Solange die Fristen der ordentlichen Gerichte bzw. die Fristen in den oberhalb erwähnten verwaltungsbehördlichen Verfahren unterbrochen sind, gelten für die Zustellung mit Zustellnachweis (RSa- und RSb-Schreiben) der von Gerichten bzw. von Verwaltungsbehörden zu übermittelnden Dokumente sowie die durch die Gerichte bzw. die Verwaltungsbehörden vorzunehmende Zustellung von Dokumenten ausländischer Behörden geänderte Zustellbestimmungen.

Bei RSa- und RSb-Sendungen genügt es nunmehr, dass das Schreiben in den Briefkasten eingelegt wird oder an der Abgabestelle zurückgelassen wird. Für die Zustellung ist keine Unterschrift mehr notwendig. Soweit dies ohne Gefährdung der Gesundheit des Zustellers möglich ist, ist der Empfänger durch schriftliche, mündliche oder telefonische Mitteilung an ihn selbst oder an Personen, von denen angenommen werden kann, dass sie mit dem Empfänger in Verbindung treten können, von der Zustellung zu verständigen. Gleiches gilt bei Zustellung an einen Ersatzempfänger.

Die Zustellung wird nicht bewirkt, wenn sich ergibt, dass der Empfänger wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte, doch wird die Zustellung mit dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag wirksam.

Der Zusteller hat die Zustellung und die Form der Verständigung von der Zustellung zu beurkunden.

Diese Bestimmungen traten mit Ablauf des 30. Juni 2020 außer Kraft.