COVID-19 und Doppelbesteuerungsabkommen

Durch die im Frühjahr auch in Österreich aufgekommene COVID-19-Pandemie, braucht es neue und spezifische Regelungen in vielen unterschiedlichen Bereichen, so auch im Steuerrecht. Speziell für grenzüberschreitende Sachverhalte, die in Zusammenhang mit Besteuerungsfragen stehen, wurden vom Bundesministerium für Finanzen (BMF) Informationsschreiben veröffentlicht. Sie dienen der Auslegung von Doppelbesteuerungsabkommen. Des Weiteren wurden in den vergangenen Monaten Konsultationsvereinbarungen mit den wichtigsten Nachbarstaaten abgeschlossen um Auslegungsschwierigkeiten zu beseitigen.

Grundsätzlich werden Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) zwischen Staaten abgeschlossen, um zu regeln welcher der beiden Staaten sein innerstaatliches Steuerrecht anwenden darf, wenn es sich um steuerlich zu erfassende Sachverhalte mit Grenzüberschreitung handelt. Das Bundeministerium für Finanzen veröffentlichte ein Informationsschreiben das gezielt auf Sachverhalte eingeht, welche sich im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie entwickelten und widmet sich Fragen rund um die Auslegung und Anwendung von Doppelbesteuerungsabkommen. Diese Sachverhalte betreffen etwa die Behandlung des Arbeitslohns im Zusammenhang mit im Homeoffice geleisteten Tätigkeiten, die Behandlung von Entgeltentschädigungen bei Kurzarbeit,  ob Homeoffice-Tätigkeiten als Betriebsstätten für den ausländischen Arbeitgeber gelten sowie der COVID-19 bedingten Unterbrechungen bei Bauausführungen und Montagen. All diesen Sachverhalten ist gleich, dass es sich gerade nicht um rein innerstaatliche Tätigkeiten handelt und die Staaten miteinander Staatsverträge (DBA, als Bestandteil des österreichischen Recht) abgeschlossen haben, die Vorkehrungen hinsichtlich der Besteuerung treffen.

Konsultationsvereinbarungen, Grenzgängerregelungen und weitere Begrifflichkeiten im Zusammenhang mit Doppelbesteuerungsabkommen

Möchte man etwa die Erklärungen rund um die Behandlung des Arbeitslohns in Zusammenhang mit im Homeoffice geleisteten Tätigkeiten verstehen, stößt man bereits hier auf unterschiedliche Begrifflichkeiten:

Doppelbesteuerungsabkommen verhindern, dass bei vergleichbaren Steuern in zwei oder mehreren Staaten von demselben Steuerpflichtigen für denselben Zeitraum und für denselben Besteuerungsgegenstand doppelt erhoben werden. Grundsätzlich orientieren sich die von Österreich abgeschlossenen DBA weitestgehend am OECD-Musterabkommen. Dieses von der OECD (Organisation for Economic Co-operation and Development) erarbeitete Abkommen dient der Harmonisierung von bilateralen Abkommen (etwa einem DBA). Art 15 Abs 1 und 2 OECD-MA sind für den erwähnte Sachverhalt von Bedeutung, da sie bei Vorliegen von Einkünften aus unselbständiger Arbeit Anwendung finden. Eine weitere wichtige Voraussetzung für die Anwendung des OECD-MA, speziell des Art 15 Abs 1 und 2 OECD-MA, ist, dass das anzuwendende DBA keine Grenzgängerregelung enthält oder eine solche Regelung nicht zur Anwendung gelangt, weil die Voraussetzungen dafür nicht erfüllt sind. Eine sogenannte Grenzgängerregelung enthalten etwa die DBA zwischen Österreich und Deutschland (konkretisiert durch eine aktuelle Konsultationsvereinbarung), Liechtenstein und Italien (die Grenzgängerregelung wird angewendet, das OECD-MA gerade nicht). Eine solche Regelung führt dazu, dass Personen, die im Grenzgebiet arbeiten, wohnen und arbeitstäglich pendeln, mit ihren Einkünften – trotz Tätigkeit im anderen Staat – im Ansässigkeitsstaat steuerpflichtig bleiben. Praktisches Beispiel hierfür wäre, dass die betreffende Person in Salzburg (Österreich) wohnt, aber in Freilassing (Deutschland) arbeitet. Gerade in Zusammenhang mit dem DBA Deutschland und der Grenzgängerregelung nach Art 15 Abs 1 DBA-Deutschland kam es zu Beginn der COVID-19 Pandemie zwischen den österreichischen und deutschen Behörden zu einer Konsultationsvereinbarung. Diese Konsultationsvereinbarung geht den allgemeinen Regeln vor und wurde, gestützt auf Art 25 Abs 3 DBA-Deutschland, unter dem Titel des „Verständigungsverfahrens“ abgeschlossen um Auslegungsschwierigkeiten entgegenzuwirken.

Möchte man die Erklärungen, ob Homeoffice-Tätigkeiten als Betriebsstätten für den ausländischen Arbeitgeber gelten, benötigt der Begriff „Betriebsstätte“ einer Auslegung:

Der Begriff der Betriebstätte findet sich nicht nur im OECD-Musterabkommen, sondern auch in jedem Doppelbesteuerungsabkommen und in der Bundesabgabenordnung (BAO). Vorsicht ist hierbei jedenfalls geboten, da die Definitionen voneinander abweichen können. So ist die Definition in § 29 BAO weiter als jene in dem OECD-MA. Die Identifikation einer Betriebsstätte ist von wesentlicher Bedeutung und dient, dem Recht eines Doppelbesteuerungsabkommens nach, der Bestimmung, wann ein Vertragsstaat berechtigt ist, die Gewinne eines Unternehmens des anderen Vertragsstaates zu besteuern. Die Gewinne des Unternehmens müssen zwischen der Betriebsstätte und dem Stammhaus aufgeteilt werden, wenn im anderen Staat eine Betriebsstätte betrieben wird. Das OECD-MA, aber auch die einzelnen DBA zählen auf, was unter die Kategorie einer Betriebsstätte fällt. Wesentliche Merkmale sind zum Beispiel, dass es sich um eine fest verbundene Einrichtung handeln muss und nicht bloß temporär bestehen darf. Ob das Homeoffice an sich bereits als Betriebsstätte zu bewerten ist, wurde abschließend vom Bundesministerium für Finanzen klargestellt.

Informationsschreiben des BMF zur Anwendung und Auslegung von DBA im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie

Bereits im Mai 2020 wurde ein erstes Informationsschreiben des Bundesministeriums für Finanzen veröffentlicht. Nach Abschluss der Gespräche mit Deutschland und Italien kam es zu Konsultationsvereinbarungen und einer Überarbeitung dieser Veröffentlichung. Für die Anwendung und Auslegung von DBA sowie speziellen Sachverhaltskonstellationen im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie ist das Informationsschreiben 2020-0-459.612 des Bundesministeriums für Finanzen heranzuziehen.

Die Behandlung des Arbeitslohns im Zusammenhang mit im Homeoffice geleisteten Tätigkeiten

  • Regelung in Art 15 Abs 1 und 2 OECD-MA – findet Anwendung, wenn es keine gesonderte Grenzgängerregelung gibt oder eine solche nicht zur Anwendung gelangt, weil die spezifischen Voraussetzungen dafür nicht erfüllt sind
  • Art 15 Abs 1: „Vorbehaltlich der Artikel 16, 18 und 19 können Gehälter, Löhne und ähnliche Vergütungen, die eine in einem Vertragsstaat ansässige Person aus unselbständiger Arbeit bezieht, nur in diesem Staat besteuert werden, es sei denn, die Arbeit wird im anderen Vertragsstaat ausgeübt. Wird die Arbeit dort ausgeübt, so können die dafür bezogenen Vergütungen im anderen Staat besteuert werden.“
  • Art 15 Abs 2: „Ungeachtet des Absatzes 1 können Vergütungen, die eine in einem Vertragsstaat ansässige Person für eine im anderen Vertragsstaat ausgeübte unselbständige Arbeit bezieht, nur im erstgenannten Staat besteuert werden, wenn a) der Empfänger sich im anderen Staat insgesamt nicht länger als 183 Tage innerhalb eines Zeitraums von zwölf Monaten, der während des betreffenden Steuerjahres beginnt oder endet, aufhält und b) die Vergütungen von einem Arbeitgeber oder für einen Arbeitgeber gezahlt werden, der nicht im anderen Staat ansässig ist, und c) die Vergütungen nicht von einer Betriebstätte getragen werden, die der Arbeitgeber im anderen Staat hat.“
  • Grundsätzlich: Arbeitnehmer ist im Arbeitgeberstaat zu besteuern, der Ansässigkeitsstaat des Arbeitnehmers hat die Vergütung unter Progressionsvorbehalt freizustellen oder die Steuer des Arbeitgeberstaates bis zum jeweiligen Anrechnungshöchstbetrag auf die inländische Steuer anzurechnen
  • Homeoffice: Vergütung ist zwischen dem Ansässigkeitsstaat und dem Arbeitgeberstaat entsprechend der in den jeweiligen Staaten ausgeübten Arbeitstage aufzuteilen. Sonderbestimmungen gibt es hinsichtlich der Aufenthaltstage, die durch eine Erkrankung verursacht werden.
  • Von Österreich abgeschlossene DBA entsprechen der Regelung des Art 15 Abs 1 und 2 OECD-MA
  • Die DBA Österreich – Deutschland, Italien und Liechtenstein enthalten eine Grenzgängerbestimmung:
  • DBA-Liechtenstein: Art 15 Abs 4 als lex specialis zu Art 15 Abs 1 und 2 stellt eine Grenzgängerregelung dar
  • DBA-Italien: Art 15 Abs 4 als lex specialis zu Art 15 Abs 1 und 2 stellt eine Grenzgängerregelung dar
  • Bilateral getroffene Konsultationsvereinbarungen (speziell momentan hinsichtlich der COVID-19-Pandemie getroffen) haben immer Vorrang:
  • Konsultationsvereinbarung zum DBA – Deutschland anlässlich der COVID-19-Pandemie (Erlass des BMF vom 15.4.2020, 2020-0.239.636, BMF-AV Nr. 55/2020)
  • Konsultationsvereinbarung zum DBA – Deutschland betreffend Arbeitnehmer und im öffentlichen Dienst Beschäftigte im Homeoffice sowie Kurzarbeitergeld und Kurzarbeitsunterstützung iZm der COVID-19-Pandemie (Erlass des BMF vom 04.11.2020, 2020-0.695.407)
  • Konsultationsvereinbarung zum DBA – Italien anlässlich der COVID-19-Pandemie (Erlass des BMF vom 27.06.2020, 2020-0.394.761, BMF-AV Nr. 96/2020)

Die Behandlung von Entgeltschädigungen bei Kurzarbeit

  • Aufteilung des Besteuerungsrechts nach Art 15 OECD-MA:
  • In Österreich: Kurzarbeitsunterstützung als teilweise Verdienstentgangsentschädigung, wird vom Arbeitgeber ausbezahlt und als Lohnbestandteil in der Lohnverrechnung berücksichtigt (§ 37 Abs 5 Arbeitsmarktservicegesetz -AMSG)
  • Ist nach dem Kausalitätsprinzip in jenem Staat zu besteuern, in dem die Tätigkeit, auf welche sich die Kurzarbeitsunterstützung bezieht, ausgeübt worden wäre
  • Sonderbestimmungen gibt es, wenn das Besteuerungsrecht nicht Österreich zugeteilt werden kann und diese Kurzarbeitsunterstützung im anderen Staat jedoch nicht besteuert wird
  • Ausnahme: siehe unten  „Regelung für Einkünfte aus der gesetzlichen Sozialversicherung“
  • Konsultationsvereinbarung zum DBA – Deutschland betreffend Arbeitnehmer und im öffentlichen Dienst Beschäftigte im Homeoffice sowie Kurzarbeitergeld und Kurzarbeitsunterstützung iZm der COVID-19-Pandemie (Erlass des BMF vom 04.11.2020, 2020-0.695.407)
  • DBA mit Sonderbestimmungen zu Bezügen aus der gesetzlichen Sozialversicherung und ähnlichen Vergütungen:
  • Eine Entgeltentschädigung ist nicht von Art 15 OECD-MA erfasst, wenn ein DBA eine gesonderte Regelung für Einkünfte aus der gesetzlichen Sozialversicherung oder ähnliche Einkünfte enthält (z.B. im DBA-Deutschland in Art 18 Abs 2, erweitert durch die Konsulationsvereinbarung vom 15.4.2020)
  • Tageweise Steuerberechnung:
  • Auf Lohnsteuerabzugsregelungen achten, wenn der Lohn nach dem jeweilig anwendbaren DBA zu befreien, die Kurzarbeitsunterstützung jedoch nicht, oder umgekehrt (§ 77 Abs 1 EStG 1988)

Homeoffice-Tätigkeiten als Betriebsstätten für den ausländischen Arbeitgeber?

  • Ausübung des Homeoffice ist auf höhere Gewalt zurückzuführen
  • Wird die Arbeit im Homeoffice nicht zum Regelfall, wird für das ausländische Unternehmen keine abkommensrechtliche Betriebsstätte iSd Art 5 OECD-MA begründet
  • Es fehlt an Beständigkeit bzw. Kontinuität sowie an einer ausreichenden Verfügungsmacht des Unternehmens
  • Unter Umständen kann im Einzelfall sehr wohl eine Betriebsstätte vorliegen (siehe Beispiel 7, S. 10, Informationsschreiben 2020-0-459.612 des Bundesministeriums für Finanzen)

COVID-19 bedingte Unterbrechungen bei Bauausführungen und Montagen

  • Eine Betriebsstätte wird begründet, wenn ihre Dauer einen bestimmten Zeitraum überschreitet (Art 5 Abs 3 OECD-MA, meist 12 Monate)
  • Unterbrechungen sind in die Fristberechnung einzubeziehen (Ausnahme: Auftragsvergabe in Form von „Baulosen“
  • Vorübergehende Unterbrechungen aufgrund der COVID-19 Pandemie führen grundsätzlich zu keiner Hemmung des Fristlaufs (Ausnahme: abweichende bilaterale Vereinbarungen)