Auswirkungen der COVID-19 Pandemie auf Kreditinstitute

In Krisenzeiten zählen Banken zur kritischen Infrastruktur und stellen einen Grundpfeiler zur Bewältigung der wirtschaftlichen Folgen der COVID-19 Pandemie dar. Um diese Funktion gewährleisten zu können, haben die europäischen Aufsichts- und Regulierungsinstanzen Maßnahmen definiert, welche im Folgenden kurz aufgezeigt werden sollen.

Banken zählen in Krisenzeiten zur kritischen Infrastruktur und müssen ihren Betrieb weitestgehend aufrechterhalten. Sie sind auf nationaler Ebene von den verordneten Betretungsverboten ausgenommen (§ 2 Z 13 VO betreffend vorläufige Maßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19), jedoch stellt die Viruserkrankung auch alle Finanzmarktteilnehmer vor große Herausforderungen. Banken, die österreichische Finanzmarktaufsicht (FMA) und die Oesterreichische Nationalbank (OeNB) haben weitestgehend auf Home-Office umgestellt. Ausgenommen hiervon ist nur der stark reduzierte Filialbetrieb der Kreditinstitute.

Aufsichtsrechtliche Maßnahmen

Die Aufrechterhaltung der Liquidität von Kreditinstituten sowie die Kreditversorgung von UnternehmerInnen und Haushalten sind oberste Ziele der nationalen und europäischen Bankenaufsichtsbehörden. Hierfür sollen regulatorische Spielräume weitestgehend genutzt werden.

Audits

Die Europäische Zentralbank (EZB) und damit im Einklang auch die FMA werden eine Verschiebung von Vor-Ort-Prüfungen (Präsenzprüfung) und eine Verlängerung der Fristen für die Durchführung von Abhilfemaßnahmen (Findings) in Betracht ziehen. Die FMA wird laufende Prüfungen soweit möglich „off-site“ weiterführen.

Stresstest

Am 12. März 2020 gab die Europäische Bankenaufsichtsbehörde (EBA) bekannt, dass EU-weite Stresstests auf 2021 verschoben werden, um den Banken die Fokussierung auf die gegebenen Prioritäten zu ermöglichen.

Kapitalniveau

Die EZB, als Bankenaufsicht systemrelevanter Banken, gab am 12. März 2020 in einem Statement weitere Maßnahmen bekannt. Demnach ist es den Kreditinstituten vorübergehend gestattet, die Flexibilität der Kapital- und Liquiditätspuffer zu nutzen. Die vorübergehende Unterschreitung der Rahmenbedingungen der Säule 2 Empfehlung (P2G), der Kapitalerhaltungspuffer (CCB) und der Liquiditätsdeckungsquote (LCR) wird geduldet. Weiters dürfen Banken Kapitalinstrumente verwenden, die nicht als Common Equity Tier 1 (CET1) Kapital qualifiziert sind, zum Beispiel zusätzliche Tier 1 oder Tier 2-Instrumente, um die Anforderungen der Säule 2 (P2R) zu erfüllen. Damit wird eine Maßnahme vorgezogen, die ursprünglich im Januar 2021 im Rahmen der letzten Überarbeitung der Eigenkapitalrichtlinie (CRD V) in Kraft treten sollte.

Die Liquidity Coverage Ratio (LCR) wurde konzipiert, um Kreditinstitute mit ausreichend lastenfreien, erstklassigen liquiden Aktiva auszustatten und um ihren Liquiditätsbedarf während eines Liquiditätsstressszenarios in Krisentagen decken zu können. Die Liquidity Coverage Ratio stieg im vierten Quartal 2019 auf 145,96 % (gegenüber 145,08 % im dritten Quartal). Banken sollen nun den Puffer nutzen, auch wenn dieser unter das geforderte Minimum von 100 % (LCR) fällt.

Darüber hinaus kündigte die EZB am 16. April 2020 eine vorübergehende Senkung der Eigenkapitalanforderungen für Marktrisiken an. Mit dieser Entscheidung reagiert die EZB auf die außergewöhnlich hohe Volatilität der Finanzmärkte seit dem Ausbruch des Coronavirus.

Non-performing Loans

Die EZB rät weiters zur aufsichtsrechtlichen Flexibilität bei der Behandlung notleidender Kredite (Non-performing Loans, NPLs), insbesondere um es den Kreditinstituten zu ermöglichen, in vollem Umfang von Garantien und Moratorien (siehe sogleich unten) zu profitieren, die von öffentlichen Behörden zur Bewältigung der aktuellen Notlage eingerichtet wurden.

Refinanzierungskosten

Am 12. März 2020 kündigte die EZB in einem weiteren Schritt die Lockerung der Bedingungen für gezielte längerfristige Refinanzierungsgeschäfte an (targeted longer-term refinancing operations – TLTRO III). Diese Lockerungen sollen insbesondere die Kreditvergabe an vom Ausbruch der COVID-19 Pandemie Betroffene, wie kleine und mittlere Unternehmen sowie Haushalte, erleichtern.

Das Globale Kreditlimit wird von 30 % auf 50 % der Anrechenbaren Kredite erhöht. Banken können daher im Rahmen der TLTRO-III bis zu 50 % ihrer am 28. Februar 2019 ausstehenden Anrechenbaren Kredite aufnehmen, abzüglich noch ausstehender, im Rahmen der TLTRO-II aufgenommener Kredite sowie bereits aufgenommener Mittel aus TLTRO-III. Die Begrenzung der Kreditaufnahme in einzelnen Geschäften auf maximal 10 % der Anrechenbaren Kredite wird vollständig aufgehoben. Zusätzlich besteht nun die Möglichkeit zur freiwilligen vorzeitigen Rückzahlung nach einer Laufzeit von einem Jahr (erstmalig im September 2021). Diese Änderungen wurden am 12. März 2020 vom EU-Rat im Zuge der Coronakrise vorgenommen und traten mit 17. März 2020 in Kraft.

Des Weiteren hat die EZB in diesem Zusammenhang am 12. März 2020 eine Anpassung der Verzinsung angekündigt. Diese wird vor dem vierten Geschäft im Juni 2020 in Kraft treten.

Moratorien

Um die mittel- und langfristigen wirtschaftlichen Auswirkungen der Bemühungen zur Eindämmung der COVID-19-Pandemie zu minimieren, haben die Mitgliedstaaten der Europäischen Union eine breite Palette von Unterstützungsmaßnahmen umgesetzt.

In Österreich hat der Gesetzgeber die Möglichkeit eines dreimonatigen Moratoriums für Verbraucher und Kleinstunternehmer geschaffen (§ 2 Abs 1-7 des 2. COVID-19 JuBG). Diese Möglichkeit wird nur für Kreditverträge, die vor dem 15. März 2020 abgeschlossen wurden, gewährt. Das bedeutet, dass Ansprüche des Kreditgebers auf Rückzahlung, Zins- oder Tilgungsleistungen, die zwischen 1. April 2020 und 30. Juni 2020 fällig werden, mit Eintritt der Fälligkeit für die Dauer von drei Monaten gestundet werden. Voraussetzung ist jedenfalls, dass die hervorgerufenen Zahlungsengpässe auf die COVID-19 Pandemie zurückzuführen sind.

Auch die EBA betrachtet die Zahlungsmoratorien als wirksame Instrumente zur Bewältigung kurzfristiger Liquiditätsschwierigkeiten, betont in ihrem Statement vom 2. April 2020 jedoch auch, dass es gerade unter schwierigen wirtschaftlichen Bedingungen besonders wichtig ist, sicherzustellen, dass Risiken wahrheitsgetreu und genau identifiziert und gemessen werden. Kreditinstitute sind daher weiterhin verpflichtet, im Einklang mit den bestehenden Rahmenwerken diejenigen Situationen zu ermitteln, in denen kurzfristige Zahlungsherausforderungen in langfristige finanzielle Schwierigkeiten umschlagen und schließlich zur Insolvenz führen können. Im Statement vom 2. April 2020 nennt die EBA Bedingungen, unter welchen Kreditnehmer, welche Moratorien vereinbaren, nicht automatisch als „Forborne“ (individuelle Kreditrestrukturierung) klassifiziert werden müssen:

  • Das Moratorium wurde in Zusammenhang mit der COVID-19 Krise geschaffen.
  • Es ändert nur den Zeitplan der Zahlungen und gilt nicht für neue Kreditverträge, die nach der Einführung des Moratoriums gewährt wurden.

Dem hat der nationale Gesetzgeber vollinhaltlich entsprochen.

Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, durch konsensuale Änderung von Kreditverträgen Ausfälle zu vermeiden.

Standpunkte der Österreichischen Finanzmarktaufsichtsbehörde (FMA)

Die FMA und OeNB unterstützen die genannten Maßnahmen des einheitlichen Bankenaufsichtsmechanismus (Single Supervisory Mechanism, SSM) vollinhaltlich und stellen folgende Punkte zur aufsichtsrechtlichen Flexibilität dar:

  • Zur Feststellung der Kreditwürdigkeit ist die Offenlegung des letzten verfügbaren Jahresabschlusses ausreichend. In der Regel wird dies der Jahresabschluss aus 2018 sein.
  • Kreditinstitute können zur Bewertung der Kapitaldienstfähigkeit eine ganzjährige, in der Vergangenheit liegende Liquiditätsbetrachtung des Kreditnehmers heranziehen.
  • Schuldner im Zahlungsverzug sind nicht zwingend als ausgefallen zu klassifizieren (Stundung, siehe oben)
  • Die FMA empfiehlt, die Übergangsregeln der Rechnungslegungsstandards IFRS 9 anzuwenden, um eine mittelfristige Perspektive zu gewährleisten und staatliche Maßnahmen miteinfließen zu lassen.

Fristerstreckungen im nationalen aufsichtsrechtlichen Meldewesen

Aufgrund der COVID-19 Pandemie erscheint es der FMA aus verwaltungsökonomischen Gründen zweckmäßig, den meldepflichtigen Banken generell eine bedingte Fristerstreckung zu gewähren. Zu erwartende Ausfälle von relevanten Mitarbeitern (durch Krankheit, Home-Office etc.) können zu vermehrten Problemen in der Einhaltung von Meldefristen führen.

Die FMA ist ermächtigt, durch Verordnung Fristen in den in § 2 Abs 1 bis 4 Finanzmarktaufsichtsbehördengesetz (FMABG) genannten Gesetzen oder in einer aufgrund der genannten Gesetze erlassenen Verordnung für Anzeige-, Melde-, Vorlage- und sonstige Einbringungspflichten, Veröffentlichungen oder sonstige Informationspflichten zu verlängern (§ 22 Abs. 13 des Finanzmarktaufsichtsbehördengesetzes – FMABG).

Am 27. April 2020 hat die Finanzmarktaufsichtsbehörde von ihrem Recht Gebrauch gemacht und die Verordnung über die Verlängerung von Fristen im Jahr 2020, sog FMA-Fristenverlängerungsverordnung 2020 (FMA-FriVerV 2020, BGBl. II Nr. 181/2020) in Kraft gesetzt.

Mit der FMA-FriVerV 2020 gilt grundsätzlich:

Die jeweilige Fristverlängerung wird nur für den Fall gewährt, dass und soweit dies für den Verpflichteten, der die jeweilige Fristverlängerung nutzt, auf Grund der COVID-19-Krisensituation erforderlich ist (§ 1 FMA-FriVerV 2020). Hier wird also ein direkter Konnex zwischen der zu gewährenden Fristverlängerung und der COVID-19 Pandemie vorausgesetzt. Die in dieser Verordnung geregelten Fristen sind Maximalfristen, die ohne entsprechende Erforderlichkeit weder ausgenutzt werden müssen, noch dürfen.

In der Bankenaufsicht betroffen sind vor allem Fristenverlängerungen, die Meldepflichten zur Jahresabschlussdokumentation vorsehen:

  • Für Geschäftsjahre, die vor dem 1. Jänner 2020 enden, wird die in § 44 Abs 1 bis Abs 5 Bankwesengesetz (BWG), § 6 Abs. 1 Jahres- und Konzernabschluss-Verordnung (JKAB-V), § 4 Zahlungs- und E-Geld-Institute-Meldeverordnung (ZEIMV) sowie § 1 Reservenmeldungsverordnung (ResV) jeweils genannte sechsmonatige Frist um vier Monate auf zehn Monate verlängert (§ 2 Abs 1 FMA-FriVerV 2020).
  • Übermittlungsfristen nationaler Meldebestimmungen, die zwischen 1. März und 31. Mai 2020 liegen, wurden um zehn Bankarbeitstage verlängert, um operative Erleichterungen bei der Meldeverarbeitung zu schaffen (§ 2 Abs 2 FMA-FriVerV 2020).
  • Übermittlungsfristen von Finanzierungsplänen (gemäß der Anlage G1 in § 6 Abs 5 und § 11 Abs 3 Vermögens-, Erfolgs- und Risikoausweis-Verordnung (VERA-V) werden auf Empfehlung der EBA um zwei Monate erstreckt (§ 2 Abs 3 FMA-FriVerV 2020).
  • Die Übermittlungsfrist der Meldung von Fremdkapitalfinanzierungen von Immobilien gemäß der Anlage H der VERA-V, wird auf 30. September 2020 verlängert (§ 2 Abs 4 FMA-FriVerV 2020).

Darüber hinaus ist es auch weiterhin möglich, begründete Anträge auf Verlängerung von Fristen bei der FMA zu stellen (§ 6 FMA-FriVerV 2020 iVm § 22 Abs 13 Finanzmarktaufsichtsbehördengesetz – FMABG).

Das BörseG 2018 bleibt durch die FMA-FriVerV 2020 unberührt.

Die Fristen zu den Kostengrundlagen zu Datenmeldungen, gemäß FMA-Kostenverordnung 2016 (FMA-KVO), wurden ebenfalls in Begleitung zur FMA-FriVerV 2020 adaptiert (vgl § 23 Abs 9 FMA-KVO).

Conclusio

Die genannten Maßnahmen bieten den Banken eine erhebliche Kapitalentlastung zur Unterstützung der Wirtschaft. Die EZB adressierte hierzu ihr Interesse, dass Banken die positiven Auswirkungen dieser Maßnahmen nutzen und nicht zur Erhöhung von Dividendenzahlungen oder variabler Remunerationen herangezogen werden.

 

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