Rücktrittsrecht von Lebensversicherungen kann trotz falscher Informationen verjähren

Eine Information an Versicherungsnehmer, die einen Rücktritt entgegen der damaligen Rechtslage nur schriftlich gestattet, hindert nicht den Beginn der Verjährung des Rücktrittsrechts.

Unbefristetes Rücktrittsrecht bei Lebensversicherungen

2015 folgte der Oberste Gerichtshof (OGH, 7 Ob 107/15h) dem EuGH-Urteil Endress gegen Allianz (C 209/12) und gewährte damit Versicherungsnehmern ein unbefristetes Rücktrittsrecht bei unrichtiger Rechtsbelehrung zum Rücktrittsrecht. In der Folge klagten zahlreiche Versicherungsnehmer auf Rückzahlung der eingezahlten Lebensversicherungsprämien samt Zinsen.

EuGH-Urteil vom Dezember 2019

Am 19.12.2019 entschied der EuGH (C-355/18 bis C-357/18 und C-479/18), dass die Frist zur Ausübung des Rücktrittsrechts auch dann im Zeitpunkt der Verständigung vom Abschluss des Vertrages zu laufen beginnt, wenn die vom Versicherer erhaltenen Informationen

  1.   nicht angeben, dass gesetzlich keine besondere Form erforderlich ist, oder
  2.   eine Form verlangen, die nach dem anwendbaren nationalen Recht oder den Bestimmungen des Vertrags nicht vorgeschrieben ist,

solange dem Versicherungsnehmer durch die Informationen nicht die Möglichkeit genommen wird, sein Rücktrittsrecht im Wesentlichen unter denselben Bedingungen wie bei Mitteilung zutreffender Informationen auszuüben. Ein Rücktritt ist auch möglich, wenn der Versicherungsvertrag längst abgelaufen ist und der Versicherer den Ablaufwert ausbezahlt hat.

Entscheidung des Obersten Gerichtshofs

Am 10.2.2020 entschied der Oberste Gerichtshof auf Grundlage des neuen EuGH-Urteils (7 Ob 4/20v), dass in diesem Fall keine fehlerhafte Information gegeben wurde. Der OGH führte aber auch weiter aus, dass auch bei einer unrichtigen Information des Versicherers und einer Vertragsklausel, die eine schriftliche Ausübung des Rücktrittsrechts erfordert, keine relevante Erschwerung des Rücktrittsrechts vorliegt.

Nach Sicht des OGH würde die nach damaligem Recht unrichtige Information, dass der Rücktritt schriftlich erfolge müsste, dem Versicherungsnehmer nicht die Möglichkeit der Ausübung des Rücktrittsrechts im Wesentlichen unter denselben Bedingungen wie bei richtiger Informationserteilung nehmen. Letztlich wäre ein Rücktritt in jeder beliebigen Form zulässig, sodass sich der Versicherer nicht auf die nötige Schriftform berufen könnte. Das Schriftformerfordernis stellt auch keine wesentliche Belastung für den Versicherungsnehmer dar, die derzeit so auch im österreichischen Recht (§ 5c Versicherungsvertragsgesetz (VersVG)) vorgesehen ist. Darin liegt auch kein Verstoß gegen EU-Recht, weil es die Solvency-II-Richtlinie den Mitgliedstaaten überlässt, die Form des Rücktritts zu bestimmen. Überdies ist die Schriftform eine für Verbraucher ohne praktische Hürden wahrnehmbare und faktisch regelmäßig praktizierte Mitteilungsform und dient hier auch dem Schutz des Versicherungsnehmers bei der Wahrnehmung seiner Beweispflicht hinsichtlich der Ausübung des Rücktrittsrechts.

Folglich erachtet der OGH das Rücktrittsrecht aus dem Jahr 1999 für schon längst verjährt.

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