Berufungsurteil zu ESG-Sorgfaltspflichten – Benn-Ibler

05. Dec. 2025 ·
Unternehmens- und Wirtschaftsrecht · Dr. Simon Burger
Berufungsurteil zu ESG-Sorgfaltspflichten – Benn-Ibler

Berufungsurteil zu ESG-Sorgfaltspflichten: Neue Maßstäbe für Unternehmens- und Wirtschaftsrecht

Das Pariser Berufungsgericht hat im Juni 2025 ein richtungsweisendes Urteil zur unternehmerischen Sorgfaltspflicht gefällt und die erstinstanzliche Entscheidung gegen La Poste bestätigt. Im Mittelpunkt steht die Frage, wie Unternehmen Risiken für Menschenrechte und Umwelt systematisch erfassen und bewerten müssen. Die Entscheidung hat Signalwirkung – auch vor dem Hintergrund der EU-Lieferkettenrichtlinie.
RA Dr. Simon Burger hat das Urteil für die aktuelle Ausgabe der Fachzeitschrift Nachhaltigkeitsrecht analysiert und aufbereitet. Im Folgenden stellen wir zusammengefasst die wesentlichen Eckpunkte vor.

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Unternehmensrecht & Nachhaltigkeits-Compliance: Worum ging es im Verfahren?

Das französische Sorgfaltspflichtengesetz verpflichtet große Unternehmen, einen jährlichen Sorgfaltsplan zu veröffentlichen. Darin müssen Risiken im Bereich Umwelt und Menschenrechte entlang der eigenen Geschäftstätigkeit sowie entlang der Lieferkette identifiziert, priorisiert und mit Maßnahmen hinterlegt werden. Ähnliche Pflichten sieht auch die EU-Lieferkettenrichtlinie vor.

Eine Gewerkschaft in Frankreich beanstandete den Plan von La Poste als unzureichend – insbesondere die Risikomatrix, die den Kern des Risikomanagements bilden soll. Schon das Erstgericht bemängelte, dass Risiken zu allgemein dargestellt und methodisch nicht sauber aufbereitet waren. La Poste legte Berufung ein – ohne Erfolg.

Wirtschaftsrecht, öffentliches Wirtschaftsrecht & Regulierung: Die Kernaussagen des Berufungsgerichts

Das Berufungsgericht bestätigte die wesentlichen Punkte der ersten Instanz und stellte klar:

  • Eine Risikomatrix muss tatsächliche und potenzielle Risiken erfassen – nicht nur abstrakte Kategorien.
  • Risiken müssen identifiziert, analysiert und nach Schwere und Eintrittswahrscheinlichkeit priorisiert werden.
  • Die Darstellung darf zwar kompakt sein, muss aber präzise und nachvollziehbar bleiben.
  • Auf Grundlage dieser Analyse müssen Unternehmen anschließend Tochtergesellschaften, Subunternehmen und Zulieferer systematisch evaluieren.
  • Ein funktionierender Hinweis- und Beschwerdemechanismus sowie Verfahren zur Bewertung der Wirksamkeit getroffener Maßnahmen sind zwingend.

Damit betont das Gericht, dass ein Sorgfaltsplan kein Formalakt ist, sondern ein strategisches Instrument des Risikomanagements – ähnlich wie es Investoren und Stakeholder zunehmend erwarten.

Gesellschaftsrecht & Digitalisierung: Bedeutung im Lichte der EU-Lieferkettenrichtlinie (CS3D)

Besonders bemerkenswert: Das Gericht zog bereits die neue EU-Lieferkettenrichtlinie (CS3D) heran – obwohl sie in Frankreich noch nicht umgesetzt ist.

Für Unternehmen bedeutet das:

  • Die Anforderungen an Risikoidentifikation und Risikopriorisierung werden EU-weit strenger.
  • Dokumentations- und Berichtspflichten gewinnen weiter an Bedeutung.
  • Systeme zur digitalen Risikoerfassung und Nachverfolgung werden zunehmend unerlässlich.

Handelsrecht & Compliance: Welche Folgen haben Nachhaltigkeitspflichten für die Unternehmenspraxis

Das Urteil zeigt deutlich, dass Gerichte künftig höhere Maßstäbe an Transparenz und methodische Qualität anlegen. Unzureichende Risikoanalysen können zu:

  • gerichtlichen Feststellungen von Gesetzesverstößen,
  • erheblichen Reputationsrisiken,
  • zivilrechtlichen Auseinandersetzungen und
  • verstärkter regulatorischer Aufmerksamkeit
    führen.

Unternehmen sollten daher:

  • Risikomatrizen methodisch sauber und datengestützt gestalten,
  • klare Prozesse für Lieferkettenprüfung und Stakeholder-Einbindung etablieren,
  • Systeme zur Wirksamkeitskontrolle aufsetzen,
  • alle Schritte lückenlos dokumentieren.

Unsere wirtschaftliche Expertise bei Benn-Ibler: Beratung zu Sorgfaltspflichten & Regulierung

Als wirtschaftsrechtlich spezialisierte Kanzlei begleiten wir Unternehmen bei der Entwicklung und Umsetzung von:

  • Compliance- und ESG-Strukturen,
  • Risikomanagement-Systemen,
  • digitalisierten Due-Diligence-Prozessen,
  • Lieferketten-Governance,
  • internen Richtlinien und Berichtsprozessen,
  • sowie bei gerichtlichen Verfahren im Wirtschafts- und öffentlichen Wirtschaftsrecht.

Das Urteil aus Paris unterstreicht: Unternehmen sind gut beraten, ihre Sorgfaltspflichten nicht nur formal, sondern strategisch und belastbar umzusetzen – bevor die EU-Regeln endgültig schlagend werden.

Dieser Beitrag dient der allgemeinen Information und ersetzt nicht die Beratung im Einzelfall.